Wie beschreibt man eine Veranstaltung, die es eigentlich nicht gab? Die traditionelle Demo- und Gedenkfahrt der ACM Braunschweig, konnte aufgrund der hohen Inzidenzwerte auch in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden. Der große Konvoi von Salzgitter-Lebenstedt nach Braunschweig mit anschließendem Gottesdienst, in dem den tödlich verunfallten Motorradfahrer*Innen der vergangenen Saison gedacht wird, war leider in gewohnter Form nicht umsetzbar.
Die ACM wäre allerdings nicht die ACM, wenn es nicht doch einen Weg gegeben hätte, wie wir mit Anstand und Abstand – gemeinsam mit Gott unseren Weg gefunden hätten. Manchmal müssen eben auch Biker*Innen neue Wege befahren und ausprobieren. Daher entschieden wir uns, die Demofahrt für Partnerschaft im Straßenverkehr sowie den anschließenden Gedenkgottesdienst digital als Live-Stream anzubieten.
Wie sich herausstellte, ist die Planung einer Veranstaltung mit 25 Teilnehmern, unter Einhaltung strengster Hygienevorschriften, samt Übertragung im Internet deutlich aufwändiger als die ‚klassische‘ Planung des Verkehrssicherheitstages mit Demo und Gottesdienst für tausende Biker*Innen. Doch davon ließen wir uns nicht abschrecken! Nach langem Bangen, ob wir nicht doch endgültig jede präsentische Version unserer Demo absagen müssen, wurde uns die Freigabe durch die Versammlungsbehörde erteilt und bestätigt. Dabei bekamen wir auch die schöne Rückmeldung, dass aus Sicht der Behörde unser Konzept auch bei noch höheren Inzidenzwerten durchführbar gewesen wäre.
Große Unterstützung erfuhren wir dabei sowohl von unserem Hauptsponsor, der Sparkasse Braunschweig, als auch von den beteiligten Organisationen, Polizei, Verkehrswacht und Johanniter. Diese ermöglichten es uns, mit wenigen Teilnehmern eine Mini-Demo zu fahren, diesmal – passenderweise „verkehrtherum“ – von Braunschweig nach Salzgitter-Bad. Gemeinsam mit vier Biker*Innen von B.A.C.A. (Bikers Against Child Abuse) sowie einem Vertreter der MTAS Nord (Motorrad Tourguides Assistenz Service) überführte die ACM, gesichert und begleitet von Polizei, Verkehrswacht und Johannitern, die Kreuze der verunglückten Motorradfahrer*innen der Saisons 2019 sowie 2020 in die Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit, Salzgitter-Bad. Der Kreuzwagen stand für ca. 2 Stunden an der Straße vor der Kirche, um Biker*Innen und Gruppen die Gelegenheit zu bieten, die Kreuze in Vorbeifahrt zu grüßen und damit den Verunfallten die Ehre zu erweisen.
Parallel dazu ging der Live-Stream online. Die aufgezeichnete Fahrt von Braunschweig nach SZ-Bad wurde (mit zeitlichem Versatz) ausgestrahlt. Anschließend wurden die Video-Botschaften und Grußworte eingespielt, die wir von befreundeten Organisationen und Personen erhielten. Hier gilt unser Dank allen, die sich auf dieses neue Format eingelassen und sich mit einem Video beteiligt haben! Die Resonanz war überwältigend positiv, so dass wir Videos von OB Klingebiel und Landesbischof, vier Pröpsten der Region, Polizeipräsident sowie Vertreter der Polizeipräsidien Braunschweig und Salzgitter, der Verkehrswacht, Johanniter und der GCM (Gemeinschaft Christlicher Motorradfahrer*Innen), B.A.C.A. uvm. erhielten. Damit zeigt sich einmal mehr, dass Gemeinsamkeit trotz Abstand möglich ist!
Im Anschluss an die eingespielten Videos wurde der Gedenkgottesdienst übertragen, der live in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit stattfand. Eröffnet wurde er mit dem Aufstellen der 22 Holzkreuze in der Kirche. Alle Anwesenden halfen, jeweils ein Kreuz vom Kreuzwagen zu nehmen und in den Altarraum der Kirche zu bringen – ein Moment, der jeder*m sehr bewusst machte, dass jeder Name, den man in Händen hält, für ein tragisches Lebensende steht.
Andrea und Ulf Below (Pfarrer der HDF sowie Motorradfahrerseelsorger der ACM Braunschweig) gestalteten gemeinsam den Gottesdienst, in dem sie davon sprachen, wie wichtig Anstand und Abstand in diesen Zeiten bleiben, wir dabei jedoch nicht allein sind – es müssen vielleicht neue Wege gefunden werden, um Nähe zueinander auszudrücken, doch es gibt sie und Gott begleitet uns stets dabei. Wie wichtig dieser Beistand ist, wurde allen besonders bewusst, als die Unfallberichte der Verstorbenen vorgelesen und die Kerzen vor den Kreuzen entzündet wurden. Gänsehaut, Nachdenklichkeit, Mitfühlen mit den Angehörigen und Freunden, die geliebte Menschen verloren haben; der Gedanke daran, womöglich einmal den Namen einer eigenen geliebten Person lesen zu müssen … ein äußerst bewegender Moment, der jeder*m vor Augen führte, wie wichtig Partnerschaft und gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr – eigentlich überall – sind.
Letztlich gab es die ACM-Demofahrt mit anschließendem Gedenkgottesdienst also doch, wenn auch in einem neuen, (vornehmlich) digitalen Gewand. Als ACM haben wir es geschafft, mit neuen, ungewöhnlichen Ideen, langjährige Traditionen erfolgreich weiterzuführen. Dankenswerterweise haben wir mit der Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit einen Ort gefunden, der offen ist für innovative und kreative Ideen. Durch den angebotenen Live-Stream konnten wir den letzten Samstag im April also doch gemeinsam erleben, ohne den Anstand und Abstand – und damit Euch – zu gefährden. Für das nächste Jahr, wünschen wir uns von Herzen, wieder das Treffen auf dem Platz, die gemeinsame Fahrt und das gemeinschaftliche Innehalten im Gedenkgottesdienst. Dennoch wollen wir auch eine Live-Übertragung anbieten, um all jenen die Gelegenheit der Teilnahme zu ermöglichen, die uns an diesem Tag nicht persönlich vor Ort begleiten können – oder den Tag nochmal „nachschauen“ wollen.
Unser Dank für die mediale Unterstützung und professionelle Technik gilt Tizian Roth und Lukas Reske (Ratsgymnasium Salzgitter), ohne die unsere Veranstaltung nicht just-in-time ihren Weg ins Netz gefunden hätte. Wer sich den Live-Stream (erneut) anschauen möchte, findet diesen über den YouTube-Kanal der ACM Braunschweig oder unsere Homepage www.acm-bs.de.
Mit der linken Hand grüßt
Tina Wachter
stellv. Vorsitzende der ACM Braunschweig