Dass eine jede Kirchengemeinde ihren Vorstand hat, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Verfassung und Gesetze unserer Landeskirche regeln die Arbeit des Leitungsgremiums unserer Gemeinden. Allerdings steht dahinter schon eine lange Geschichte. In der ersten Zeit des Christentums war ein solches Gremium nicht nötig. Die christlichen Gemeinden waren Hausgemeinden und damit sehr überschaubar.
Zur Ausbildung dieses Gremiums und der damit verbundenen Ämter kam es erst im Mittelalter, als das Christentum eine große Religionsgemeinschaft geworden war. Mehr und mehr Organisatorisches war zu regeln. Ging zwar die Verwaltung zunächst von Rom und den Bischofssitzen aus, so lassen sich in den erstarkenden Städten erste Ämter (Ältester, Provisor, Vorsteher) nachweisen, die im Wesentlichen mit der Vermögensverwaltung, Grundbesitzfragen und dem Schulwesen betraut waren. Kontrolliert wurden sie von Amtmännern (heute wären das die Landräte), damit nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet werden konnte.
Die Reformation verstärkte die Verantwortung Ehrenamtlicher. Ausgehend von dem "Priestertum aller Gläubigen" ging es Luther zunächst um die geistliche Kompetenz aller getauften Christen. Und von daher haben Menschen in der Gemeinde, je nach ihren Fähigkeiten, auch ihre Aufgaben. Von daher hätte Martin Luther sicher auch das Wort "Ehrenamtlicher"abgelehnt, denn der Dienst an den Mitmenschen, an der Gemeinde leitete sich für ihn aus der Taufe ganz selbstverständlich ab.
Mit der bürgerlichen Revolution von 1848 wurden dann die Beteiligungsrechte der Ehrenamtlichen verstärkt. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass von der Gemeinde gewählte Kirchenvorstände gebildet wurden. Allerdings, so war die Zeit, konnten Frauen und Menschen ohne Besitz nicht wählen.
In den Jahrzehnten darauf bekamen die Kirchenvorstände weitere Aufgaben: Beteiligung an der Wahl des Pfarrers, Mitbestimmung in Fragen der Gottesdienstordnung, Fragen diakonischer Arbeit, Entsendung von Mitgliedern in die Bezirks- und Landessynoden. Erst nach der endgültigen Trennung von Kirche und Staat Anfang der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gelten die bei uns üblichen Wahlmodalitäten: allgemein, gleich, geheim, unmittelbar. Nun durfte endlich jedes Gemeindemitglied wählen, unabhängig von Geschlecht, Besitz oder Stand.
Nun ist es im nächsten Jahr wieder soweit. Nach sechs Jahren werden in unseren Gemeinden neue Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher gewählt. Manche der bisherigen werden sich wieder zur Wahl stellen, andere werden ihre oft jahrzehntelange Arbeit im Kirchenvorstand beenden. Gesucht werden also Menschen, die Lust haben, ihre Fähigkeiten für die Kirchengemeinde einzusetzen. Darüber hat ja bereits der Apostel Paulus im 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes geschrieben. Und fast klingen seine Sätze über die vielen Gaben, die so in einer Gemeinde zusammenkommen, wie die Beschreibung eines guten Kirchenvorstandes. Auch dort kommen Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, Einstellungen und Lebenserfahrungen zusammen.
Frauen und Männer unterschiedlicher Generationen, mit einer je eigenen Glaubenshaltung und ganz persönlichen Vorlieben und Überzeugungen. Gemeinsam mit dem Pfarramt leitet der Kirchenvorstand die Gemeinde in einer Zeit, in der sich die Organisationvon Kirche so grundlegend ändern wird, wie Jahrhunderte lang nicht. Das wird manchmal anstrengend sein, denn es sind wegweisende und damit oft auch unpopuläre Entscheidungen notwendig.
Die Beharrungstendenzen sind im kirchlichen Bereich teilweise groß, weil doch"früher alles so schön war und es am liebsten auch so bleiben soll." Aber Kirchenvorstandsarbeit macht auch Spaß, weil es für die Zukunft wirklich etwas Neues zu gestalten gibt. Dazu braucht es Mut, Humor und Gottvertrauen für die vor uns liegenden Aufgaben. Und bei all dem gilt ein Wort aus dem 1. Petrusbrief: "Dient euch gegenseitig, jeder mit der Gabe, die Gott ihm geschenkt hat. Dann seid ihr gute Verwalter der reichen Gaben Gottes."
Pfarrer Johannes Engelmann, St. Mariae-Jakobi
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19.04.2017
Kategorie: Gemeinde